Mit Jonas 20/08/23
Ausgerechnet an diesem Wochenende mit stabilem Wetter – eine Rarität im Sommer 2023 – sind alle meine Tourenpartner für anspruchsvolle Unternehmungen verhindert. Dafür hat mein Bruder Lust auf eine schöne Tagestour am Sonntag. Den Portjengrat wollte ich ja schon lange mal klettern, und bei dieser Hitze passt eine gletscherfreie Tour in der Höhe sowieso gut ins Konzept, zumal keine Übernachtung in den weitgehend ausgebuchten Hütten notwenig ist. Da mein Bruder schon im Wallis weilt, entscheiden uns für eine Übernachtung im mit ÖV/Sessellift gut erreichbaren Berghotel Furggstalden, um den Samstag Abend in der etwas kühleren Höhe zu verbringen. Nach einem feinen Fondue Chinoise mit Pommes geht es bald ins Bett.
Kurz nach fünf gehen wir in Furggstalden (1902 m) los und biegen nach wenigen hundert Metern auf den mit Leitern gespickten Erlebnisweg ab. Die beiden Hängebrücken schaukeln ganz ordentlich, und im Dunkeln mit den vom Frühstück vollen Mägen wird uns beinahe etwas schlecht. Über Chüelbrunnije und die Almagelleralp steigen wir zur Almagellerhütte (2892 m) auf, die wir nach knapp 2h erreichen. Dank der Westeexposition ist es noch schattig und angenehm kühl, und die relativ leichten Säcke (danke Jonas fürs Seiltragen!) machen das Steigen angenehm.
Nach einer kurzen Trinkpause folgen wir dem blau-weiss markierten Wanderweg in Richtung Sonnigpass und anschliessend den vielen gelben Markierungen über Blöcke und Platten zum Übrigbleibsel des Rotblattgletschers, den man unter dem Geröll und Kies nur noch erahnen kann. Den gelben Punkt, der den Einstieg in der Grat markiert, sieht man schon von weitem, und kurz nach 8 Uhr stehen wir neben dem grossen Schriftzug "Have fun", wo wir etwas essen und uns zur Kletterei bereit machen. Einmal sind weit weg Stimmen zu hören, es sind aber weit und breit keine anderen Bergsteiger in Sicht.
Die erste Seillänge führt leicht nach links und besteht aus Gehgelände, unterbrochen von ein paar Schritten im dritten Grad, wobei die Schwierigkeiten plattig-technischer Natur sind. Seltsamerweise gibt es hier neue Bohrhaken an Stellen, wo es sie nicht wirklich bräuchte. Damit ist aber nach der ersten Länge Schluss und man findet höchstens noch ein paar Schlaghaken und Fixfriends.
Ein Pfeil weist uns an, wieder nach rechts zu ziehen und wir klettern eine schöne Verschneidung hoch. Hier wäre es leichter, in einer Verschneidung/Rinne noch weiter rechts aufzusteigen, wo sich auch diverse Fixfriends befinden. Beide Verschneidungen enden an einem kleinen, lässig zu kletternden Aufschwung (Schlaghaken und Fixfriends), über den man auf eine mit tollen Rissen durchzogenen Platte gelangt, die zur Gratkante führt.
Wir folgen dem ab und zu sehr exponierten Grat über einen steilen Aufschwung, wo sich ein (völlig unnötiger) Eisentritt befindet. Nun wir das Gelände einfacher und wir verkürzen das Seil, um simultan zu klettern. Die Groborientierung ist einfach – man hält sich so nahe wie möglich an der Gratkante, wo der Fels am stabilsten ist. Das unterhaltsame an der Route ist die Tatsache, dass bei jedem Türmchen erst ganz zuletzt klar wird, ob dessen Spitze nun überklettert, oder rechts bzw. links umgangen wird. Oft sind auch diverse Varianten möglich. Übel versteigen wird man sich auf der Tour kaum, aber ohne Erfahrung in der Routenfindung kann man hier sicher viel Zeit verlieren.
Über einen flacheren Gratabschnitt, auf dem manchmal noch Firn liegt, erreichen wir den Fuss des steilen Aufschwungs zu Punkt 3490 m. Hier essen wir etwas, ziehen unsere Langsarmshirts aus und geniessen den Tiefblick nach Italien. In einer Seillänge klettern erst durch eine Verschneidung, dann über griffig gestuften Fels in leichteres Gelände. Richtig toll, der Fels hier! Wieder simultan kletternd erreichen wir erneut die mit unterhaltsamen Kletterstellen gespickte Gratkante. Schliesslich folgen wir Wegspuren in die Westflanke und gelangen über diese wieder auf den hier horizontalen nach Westen flach auslaufenden Grat, von wo wir zum Gipfel blicken können.
Über den horizontalen Abschnitt geht es einfach weiter, bevor am Schlussaufstieg nochmals ein paar kletter- und orientierungstechnisch kniffligere Passagen auf uns warten. Wie zuvor ist die Kletterei toll, der Fels stabil und der Routenverlauf immer für eine Überraschung gut. Kurz vor zwölf erreichen wir den Gipfel.
Nach einer halbstündigen Pause seilen wir 15 m ab und kraxeln über den Grat weiter ab. Erst rechts, dann links, dann wieder rechts werden die Türme umgangen, wobei nochmals richtig geklettert werden darf. Meiner Meinung nach sind dies die technisch schönsten Kletterstellen am ganzen Grat. Bald ist die Kletterei aber fertig und wir verstauen Seil und Metall im Rucksack. Über Steinplatten, Wegspuren und Geröll steigen wir den vielen Steinmännchen folgend ab. Kurz nach 14:00 Uhr erreichen wir die Hütte und geniessen Cola, Most und Bier, bevor es wieder hinunter ins heisse Tal geht. Wie toll, eine so flowige Tour bei besten Wetter und Bedingungen zu machen und dabei ganz allein unterwegs zu sein.
Gipfel: | Pizz d'Andolla |
Route: | Portjengrat |
Ausgangspunkt: | Furggstalden, alternativ Saas Grund oder Almagellerhütte |
Höhe: | 3656 m |
Schwierigkeit: | 4a |
Material: |
Zackenschlingen, 4-5 Cams (0.3-1), 4-6 (lange) Exen, je nach Verhältnissen Steigeisen und Pickel; im Prinzip reicht ein 30 m Seil, wenn man die ersten Seillängen bis zum Grat mit Standplatzsicherung klettert, ist ein 40m oder 50m Seil jedoch praktischer |
Führer: |
SAC Führer Bündner Alpen 5 |