Mit Jonas 28/08/24
Den Mittellegigrat habe ich von meiner Tour über den gesamten Grat ab Alpiglen (Mittellegi Integral) in guter Erinnerung. Diesmal solls "nur" über den oberen Abschnitt ab der Mittellegihütte gehen, dafür kann ich so endlich mal den Hüttenzustieg kennenlernen, der mir trotz zwei Eigerbesteigungen noch unbekannt ist. Da ich weiss, dass wir zügig sein werden und stabiles Wetter angekündigt ist, beschliessen wir, die Tour als Tagestour ab der Station Eismeer zu unternehmen. Dies würde uns erlauben, den Grat ohne Stau und Hektik zu geniessen. Kurz nach sechs Uhr steigen wir in Thun in den Bus und reisen nach Grindelwald. Als wir im Terminal die lange sehen, kommt etwas Nervosität auf, aber schliesslich schaffen wir es auf den ersten Zug (der nun nicht mehr so früh fährt wie in der Hochsaison) und steigen um 8:30 beim Eismeer aus. Ein Bergführer und Begleitung haben den selben Plan, so müssen wir nicht mal den Eingang zum Stollen suchen, der uns auf der Südseite des Eigers ausspucken soll. Auch das Abseilen auf den Chalifirn ist überflüssig, wir können einfach über ein Band absteigen und in einem grossen Schritt auf den Gletscher übersetzen. Nach Montieren der Steigeisen und Anseilen geht es kurz vor 9:00 los.
Wir überqueren/umgehen die Steinschlagzone zügig und folgen der guten Spur zum Einstieg in die Südostflanke. Hier steigt der Bergführer links von den mit Bohrhaken gesicherten Kletterpassagen im Firn hoch – offenbar lassen sich die Einstiegsseillängen (aktuell) umgehen. Ich mag ihm aber nicht einfach blind folgen, zudem interessiert mich die Kletterei. Die ersten Meter sind gar nicht mal so einfach – irgendwie befinden sich die guten Tritte soweit rechts, dass man die Schuppe links nicht mehr gut zu fassen kriegt. Bald wird's aber leichter und nach einer kurzen Seillänge von ca. 20 m klettern wir simultan bis zum letzten Muniring.
Wir folgen den gut ausgeprägten Bändern in Richtung Hütte und kommen bald zur Abseilstelle, an der wir uns knapp 15 m in einen Graben abseilen. Anschliessend ist die Wegfindung etwas weniger übersichtlich (oder weniger zwingend), das Gelände aber unschwierig, und nach nicht ganz anderthalb Stunden Gehzeit erreichen wir die Mittellegihütte.
Nach einem Rundblick – diese Aussicht muss man ja geniessen – gehen wir auf dem Gratrücken weiter und seilen uns beim ersten, mit Bohrhaken versehenen Aufschwung an. Wir verkürzen das Seil deutlich, damit es nicht stets verhängt, und gehen simultan weiter. Dank unserer acht Expressschlingen und der Tatsache, dass wir bei leichteren Passagen auf Zwischensicherungen verzichten können, kommen wir flüssig voran. Mit einem weniger stark verkürzten Seil und ein paar mittleren Cams und Zackenschlingen könnte man auch problemlos noch besser absichern.
Wir seilen uns vom grossen Turm ab (von der unteren Abseilstelle reicht ein 30 m Seil) und machen hier ausgiebig Rast. In der nachfolgenden steilen und langen Fixseilpassage können wir neben der mit uns gestarteten Seilschaft noch eine weitere ausmachen, ansonsten ist es sehr ruhig am Grat. Gestärkt hangeln wir uns anschliessend anstrengend an den Tauen hoch. Da der Fels hier teilweise mit einer unsichtbaren, heimtückischen Eisschicht überzogen ist, können die Beine nur wenig Gewicht entlasten.
Nun folgen einige hübsche Kletterstellen in schön trockenem und meist stabilem Fels – mit ausreichend Bohrhaken versehen aber ohne Taue. Bald erreichen wir die Stelle, von welcher Claudio Corti 1957 aus der Nordwand gerettet wurde und wo ich nach der Durchsteigung der Heckmair-Route biwakiert habe. Vor zwei Jahren sind wir hier auf den Firngrat gewechselt, dies ist heute nicht nötig, da wir südlich des Firngrats durchschleichen können. Dies erspart uns den Wechsel auf Steigeisen, ist gleichzeitig aber auch schade um den Aufstieg über den exponierten und schön geschwungenen Firngrat. Kurz nach 13:00 erreichen wir den Gipfel. Hier machen wir wieder eine gute Pause, da wir sehr gut vorwärtsgekommen sind. Schliesslich seilen wir mit Hilfe der eigens dafür mitgenommen Rapline drei Mal ab und steigen bzw. kraxeln anschliessend hinunter ins nördliche Eigerjoch.
Nun bin ich auf den weiteren Routenverlauf gespannt, denn bei meiner ersten Begehung konnten wir den ersten Grataufschwung hier einfach westlich im Firn umgehen. Vor zwei Jahren haben wir ihn in ähnlicher Linie über einen dünnen, steilen und mit Kies übersäten Eispanzer recht unangenehm umklettert. Von den sich angeblich hier befindende Bohrhaken können wir keine sehen, am logischsten scheint uns, dem anfänglich sanft ansteigenden Grat weiter zu folgen und die steile Spitze des Grataufschwungs östlich zu umgehen. Tatsächlich befindet sich dort, wo sich der Grat aufsteilt, ein Bohrhaken und die Traverse ist deutlich weniger abdrängend, als es von unten den Anschein macht. Nach der Linkstraverse geht es gut gesichert nach rechts zur Gratkante zurück und über einen kurzen Aufschwung auf den flachen Grat (Stellen III).
Auch der weitere Verlauf ist aufgrund der fehlenden Firnauflage etwas anders als ich ihn kenne, aber wie früher wechseln sich Gehpassagen und etwas brüchiger Fels mit schöner leichter Kraxelei in tollen Gneis ab. Meine Lieblingspassage mit dem Schritt über den Spalt und dem anschliessendem um-die-Kante-Ziehen ist glücklicherweise unverändert :-). Kurz vor Punkt 3769 überholen wir die erste, früh von der Hütte aus gestartete Seilschaft, was problemlos geht, da sie oberhalb des von uns gewählten Wegs klettern. Bald kommen wir zum Firngrat vor dem südlichen Eigerjoch, wo wir auf weitere Seilschaften treffen und – zum ersten Mal seit Verlassen des Chalifirns (!) – wieder die Steigeisen anziehen und uns für den Abstieg über den Gletscher anseilen.
Dieser ist gut eingeschneit und so erreichen wir nach einem kurzen Gegenanstieg kurz nach halb fünf das obere Mönchsjoch. Zeitlich hätte es also locker auf die letzte Bahn gereicht, doch da wir am Folgetag noch eine weitere Tour unternehmen wollen, steigen wir zur Mönchsjochhütte auf, wo wir bei Cola und Bier auf die Tour anstossen, die genau nach unserer Wunschvorstellung verlaufen ist: Entspannt und flowig auf einem formschönen Grat in imposanter Umgebung unterwegs zu sein – und dies bei guten Bedingungen und Wetter sowie mehrheitlich allein. Danke Jonas für eine weitere tolle gemeinsame Tour!
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