Mit Eva 19/06/22
Ursprünglich hatten Eva und ich den Migotpfeiler an der Aiguille du Chardonnet geplant. Die Hitzewelle der vergangenen Tage hat den Nordwandverhältnisse aber arg zugesetzt, zudem empfinden wir es als heikel, im Matschschnee über einen spaltenreichen Gletscher zu gehen. Diese Argumente plus gewitterhaftes Wetter im Norden sowie starke Winde im Westen lassen die Entscheidung dann auf eine kurze Tagestour in der Region fallen. Tatsächlich war bisher auch keine von uns schon auf dem Gipfel des Titlis gewesen!
Kurz vor halb sechs gehen wir beim Herrenrütiboden los und folgen dem Strässchen bis Punkt 1166 m, wo wir den Wanderweg in Richtung Grassenbiwak einschlagen – schon jetzt in der Früh sind es über 20° C...
Wir haben uns schon länger nicht mehr gesehen und viel zu erzählen, so vergeht die auf diesem Abschnitt eher unspannende Wanderung wie im Flug. Ums Ober Stäfeli herum verschwinden die Wegspuren ab und zu im Pflanzendickicht und lassen uns ein paar Schritte falsch gehen, ansonsten kommen wir flüssig voran. Eine erste "Schlüsselstelle" stellt die Überquerung des Baches auf ca. 1950 m dar, der zu dieser Jahreszeit viel Wasser führt.
Nun wird der Weg spannender. Über die Gorisegg-Moräne und diverse Schneefelder folgen wir den blauweissen Markierungen und erreichen nach ein paar mit leichten Kraxelpassagen gespickten Felsriegeln Punkt 2582 m.
Über einen schönen Fels- und Schuttgrat gelangen wir schliesslich zum Grassenbiwak (2650 m).
Da wir früh dran sind, machen wir beim etwas windgeschützten Klohäuschen eine längere Pause, wobei wir auch schon mal Klettergurt und Helm montieren. Zur Überquerung des Wendengletschers ziehen wir sogar eine lange Hose an. Während sich drüben am Grassen unzählige Bergsteiger tummeln, sind wir hier ganz allein.
Nach eine kurzen Abstieg über Geröll auf den Gletscher ziehen wir über die gut tragende Schneeoberfläche zum Felsausläufer, der zwischen Titlis und Klein Titlis runterzieht. Zuletzt steil aber problemlos erreichen wir die Wand. Die gelbe Rinne, die den Einstieg in die Wand markiert, ist leicht ersichtlich und der Bergschrund problemlos zu überwinden. Aufgrund der grossen Hitze wechseln wieder auf kurze Hose, bevor wir loskletten.
Die Route beginnt mit Kletterei im unteren III. Grad durch die zwar ausgewaschene, aber trotzdem griffige Rinne. Hier liegen viele lose Steine, der Fels an sich ist aber fest. Wir fühlen uns wohl, somit bleibt das Seil im Rucksack. Der Nachsteiger hätte hier vermutlich an Felszacken nachgesichert werden können (langes Seil von Vorteil), gute Platzierungen für Zwischensicherungen gibt es aber kaum.
Nach etwa 50 m legt sich das Gelände zurück und es gilt nun, den besten Weiterweg zu finden, wobei ein Stahlkabel zur Orientierung dient. Das Gelände ist hier im Prinzip einfach, aufgrund der vielen losen Steine ist aber eine gewisse Vorsicht und clevere Routenwahl angebracht – ausrutschen sollte man hier nicht. Hat man das Stahlkabel mal erreicht, findet man diverse Bohrhaken und Standplätze, an denen man sichern oder abseilen könnte.
Ab jetzt wird das Gelände leicht und die Orientierung offensichtlich, beziehungsweise wenig zwingend. Über Grasbänder und Felsstufen traversieren wir leicht ansteigend nach Westen und dann wieder eher nach Osten, bis wir die im Topo mit 1. Buckel bezeichnete Felsrippe erreichen.
Die Felsrippe bietet ein paar leichte Kraxelpassagen in gutem Fels, danach erreichen wir das obere grosse Firnfeld.
Wir machen nochmals eine ausgiebige Pause und beschliessen, nicht der Originalroute über die Leitern zu folgen, sondern eine direkte Variante durch das Couloir zu nehmen, welches vom tiefsten Punkt zwischen Titlis und Klein Titlis hinab zieht.
Wir montieren also Leichtsteigeisen und nehmen den Leichtpickel in die Hand – so haben wir diese doch nicht vergebens mitgenommen...
Der Schnee ist oberflächlich weich aber nicht tief, so können wir problemlos durch das bis ca. 45° steile Couloir aufsteigen.
Oben angekommen entledigen wir uns unserer Hochtourenausrüstung und wandern auf gutem Weg zum Gipfel, welchen wir kurz nach 12 erreichen. Nach einer weiteren Pause steigen wir dann zur Bergstation ab und gondeln beinschonend ins Tal, wo das obligate Bier wartet. Fun Fact: Wie der Bahnangstellte uns bestätigt, kann kein Billet für die Talfahrt von ganz oben gelöst – nur von einer der Zwischenstationen. Aber wer steigt denn schon von ganz unten auf, um anschliessend runter zu fahren ;-)
Fazit: Abwechslungsreiche und landschaftlich sehr schöne und einsame Tour auf einen Kantonshöchsten - etwas Schutt muss man aber mögen. Heute eine sehr treffende Wahl, und mit über 2200 Höhenmetern auch eine gute Vorbereitung für kommende Touren. Danke Eva für den netten Tag!
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