Mit Rolf 30/12/15
Nach einem Tag Eisklettern auf der Engstligenalp bei Adelboden ist Training im Steigeisenklettern angesagt. Rolf entscheidet sich für die klassische, aber nach "Pläsirstandart" abgesicherte Route durch die Nordostwand des Gällihorns oberhalb Kandersteg. Wir nehmen die 9 Uhr Gondel der Sunnbüelbahn und steigen dann teils auf dem Weg, teils weglos über Firn, Geröll und gefrorene Grashänge auf zur Wand, wo wir den Einstieg der Route gut finden. Oberhalb tummelt sich eine Gruppe Steinböcke, die sich wohl über den milden, schneefreien Winter freut. Der Fels ist trocken, Steigeisen und Eisgeräte wären nicht notwendig, aber wir (beziehungsweise ich) wollen ja üben, deshalb montieren wir die Eisen und nehmen je ein Eisgerät in die Hand, während wir das andere an einem Materialkarabiner am Klettergurt befestigen. Kurz nach 10 Uhr beginnen wir mit dem Klettern. Obwohl im Schatten, ist es relativ warm; über zwei dünnen langen Schichten trage ich nur eine Softshelljacke und komme auch beim Sichern nicht ins Frieren. Die erste Seillänge (4a) beginnt leicht, wartet dann aber mit einer abdrängenden Stelle um eine Kante auf. Während ich oft mit Steigeisen auf Gneis oder Granit klettere ist die Steigeisenkletterei auf dem glatten, plattigen Kalk ungewohnt. Mit dem Eisgerät weiss ich nichts anzufangen, die Spinnerleashes verfangen sich in den Steigeisen und meine Handschuhe finden wenig Halt - zum Glück bin ich im Nachstieg… Die nächste Seillänge, eine 3c Traverse ist dann deutlich leichter und macht richtig Spass. Die dritte Seillänge (4b) startet für den Grad recht kraftvoll und feingriffig (zum Glück ist es genug warm um die Handschuhe auszuziehen), geht dann leichter weiter und führt sehr interessant unter einem Klemmblock durch und eine Wand mit guten Leisten hoch. Ich komme langsam besser zurecht, nutze die Gegenwand mit den Füssen und stütze den grossen Rucksack daran ab - wirklich sehr cool! Nachdem ich die Spinnerleashes mittels Achterknoten verkürzt habe, verfangen sie sich auch nicht mehr so.
Es folgt eine mit grasigen, mit zum Teil schneebedeckten Bändern durchsetzte Seillänge (4a) - hier sind wir ausnahmsweise mit den Steigeisen gut bedient. Die nächste Seillänge (4c) beginnt plattig und rund und daher mit Steigeisen eher knifflig. Nach einem leichteren Abschnitt folgt ein schwieriger Aufschwung zum Stand - hier muss ich kurz an einer Expressschlinge ziehen ("nicht in Schönheit sterben" meint Rolf). Es folgen zwei technisch sehr spannende Seillängen (4c) mit Verschneidungskletterei und Rissen. Die nächste Seillänge (5a) beginnt mit einer Plattentraverse, die aber schwieriger aussieht als sie schliesslich ist, denn es verbergen sich ein paar gute Griffe, und das Gelände ist nicht steil.
Die nicht abgesicherte Plattentraverse nach rechts am Ende der Seillänge lässt Rolf aber aus, denn mit Steigeisen wäre es etwas riskant gewesen. Stattdessen beginnen wir die letzte Seillänge mehr links, wo sich eine dünne Eisschicht über die Platte gelegt hat. Ein paar Schritte im Eis, dann kann ich ein Eisgerät an einem grossen Block ansetzen und mich hochziehen. Nach ein paar leichten Metern setze ich die Pickel in ein Firnband und ziehe mich hinauf. Hier wird das Gelände steiler und führt über einen Überhang - ganz schön schwierig für 5a... Und noch schwieriger geht es weiter. Weil die Seillänge einen Aufschwung und eine Traverse nach rechts beinhaltet, kann ich nicht auf Seilunterstützung zählen. Zum Glück habe ich gesehen, wie Rolf die Stelle gelöst hat: Das Eisgerät weit rechts an einem kleinen Seitengriff ansetzen, hinüberziehen und die andere Hand dazu nehmen. Nach ein paar wackligen Zügen wird es leichter. Später finden wir heraus, dass die richtige Route viel weiter rechts verlaufen wäre, und wir eine schwerere "Abkürzung" genommen haben. Zum Schluss muss ich nochmals zupacken, dann stehen wir - kurz nach ein Uhr auf dem Gipfel.
Wir machen gemütlich Pause und geniessen die Aussicht nach Kandersteg, ins Gasterental und die umliegenden Berge wie Altels oder Doldenhorn - auch die Blüemlisalphütte kann man von hier gut sehen. Anschliessend gehen und klettern wir ohne Steigeisen zügig über den Üschenengrat. Hier wechselt sich Gehgelände mit leichter, mit neuen Bohrhaken versehener Gratkletterei ab.
Da die Tage im Dezember kurz sind, beschliessen wir, den Grat nicht ganz bis zum Ende zu klettern, sondern in der Mitte abzusteigen. Der Abstieg über Felsbänder und mit Geröll durchsetzte steile Grashänge kann hier dank Haken und Fixseilen sicher gestaltet werden. Auf den letzten Höhenmeter können wir Firnfelder nutzen und gelangen so bequem und schnell hinunter auf die Spittelmatte. Kurz vor drei sind wir unten. Um halb 5 fährt die letzte Bahn - das reicht gerade noch für ein bisschen Eisklettern! Zügig gehen wir in etwa 15 Minuten zu den mit Eis überzogenen Felsen gegenüber des Arveseeli. Ich bekomme nochmals ein intensives Training in Schlagtechnik, Steigeisentechnik und Klettertaktik - wieder viel gelernt heute! Auf dem Rückmarsch zur Sunnbüelbahn spüre ich meinen nach 12 Tagen Training müden Körper und verspreche mir einen Ruhetag, bevor ich zufrieden mit der Bahn über Fruttigen, Spiez und Olten nach Baden zurück reise.