Mit Holmger 12/06/22
Nach einem schneearmen Winter sind die Nordwandbedingungen im Allgemeinen eher dürftig - es gibt allerdings Hinweise auf ganz passable Bedingungen am Blüemlisalphorn - ein eher einfacher Nordwandklassiker, den ich trotz guter Erreichbarkeit noch nicht gemacht habe. Als dann anfangs Woche fürs Wochenende zwei Plätze im Winterraum der Blüemlisalphütte frei werden, ist der Fall klar. So steigen wir am Samstag Nachmittag zusammen mit unzähligen Wanderern durch den imposanten Bergkessel zur Blüemlisalphütte, wo wir nach gut 3,5 h inklusive zwei Pausen ankommen. Dabei können wir schon einen guten Blick auf unser morgiges Ziel und den Routenverlauf werfen.
Den Rest des Nachmittags geniessen wir an der warmen Sonne vor der Hütte. Alle 10 Plätze des Winterraums sind gebucht; neben uns ist noch ein Bergführer mit Gast anwesend, welche die Überschreitung im Sinn haben, sowie eine Sechsergruppe des SAC Doldenhorn. Zudem biwakieren zwei weitere Seilschaften mit dem Ziel Nordwand vor der Hütte. Die Stimmung ist sehr entspannt und unterhaltsam, alle engagieren sich beim Schnee schmelzen und man kommt gut aneinander vorbei. Wir gehen früh ins Bett und ich schlafe trotz den fast zu warmen Temperaturen ziemlich gut.
Um 3:15 klingeln die Wecker und wir frühstücken alle gemeinsam, dabei bekommen wir auch noch Besuch von Anne Kathrin und Seppi, die in der früh von der Bundalp gestartet sind. Kurz nach 4:00 gehen wir los und erreichen in wenigen Minuten den Blüemlisalpgletscher, wo wir uns anseilen und Steigeisen anziehen. Der Firn ist perfekt tragend und die Spalten gut eingeschneit, so erreichen wir zügig den Durchgang südlich von Ufem Stock. Die Stirnlampen der beiden Holländer leuchten schon weit oben in der Nordwand.
Nun müssen wir ein paar Meter über einen Felsriegel und Firnhang absteigen, bevor wir den Spuren der Holländer und einer Spur vom Vortag folgend zum Bergschrund aufsteigen, wobei wir eine grosse aber gut eingeschneite Spalte queren.
Die Wand beginnt nicht allzu steil und mit etwas mühsam tiefem Pulverschnee, wo ich trotz vorhandener Spuren noch einsinke. Wir überqueren noch den kaum geöffneten Bergschrund, bevor wir uns für die Wand umrüsten und eine kurze Pause machen. Da von hier aus nicht ganz ersichtlich ist, ob die Wand weiter oben blank ist, entschliessen wir uns, vorerst noch am Seil weiter zu gehen.
Um halb sechs starten wir in die Wand - der Firn könnte hier besser nicht sein! So beschließen wir nach etwa hundert Höhenmeter, das Seil wegzupacken. Einfach herrlich, wie die Steigeisenzacken und Pickelhauen hier beissen, und auch die Temperaturen sind angenehm, erst recht als wir an die Sonne kommen. Brennende Waden sind aktuell das einzige, was uns bremst...
Weiter oben wird die Schneeauflage zunehmend dünner. Das Eis ist griffig genug, dass wir auf Sicherung verzichten können – etwas mehr Konzentration als bisher braucht es aber, zumal die Wand hier auch am steilsten ist.
Zuletzt legt sich die Wand immer mehr zurück und wir erreichen über einen kurzen Grat um 6:40 den Gipfel. Das ging ja deutlich schneller als erwartet! Wir geniessen die Aussicht und essen etwas. Allzu lange mögen wir aber nicht sitzen bleiben, da hier plötzlich ein sehr frischer Wind geht.
Da wir noch früh dran sind und ich die Blüemlisalpüberschreitung – 2013 mit meinem Vater in Gegenrichtung – noch in sehr schöner Erinnerung habe, beschliessen wir, zur Wyssen Frau und zum Morgenhorn weiter zu gehen. Wir sind die ersten, die die Überschreitung nach dem Neuschnee vom Donnerstag angehen und müssen deshalb ab und zu durch etwas unverfestigten Pulverschnee spuren, was ein bisschen Vorsicht erfordert. Meist liegt aber perfekter Trittfirn, der trotz der Steilheit der Flanke ein zügiges und sicheres, seilfreies Vorwärtskommen erlaubt.
Der Firngrat ist genau so formschön, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Wir geniessen die Abwechslung und das flowige Vorwärtskommen auf dem Grat, durch kurze Firnrinnen und über leichten Felsen, wobei wir zweimal an einer Stange einige Meter abseilen. Ab und zu verlangt eine nur dünne Schneeauflage auf glatten Felsen etwas Vorsicht - schliesslich darf man sich auf der ganzen Überschreitung an kaum einer Stelle einen Ausrutscher erlauben. Alles in allem sind die Verhältnisse aber ausgezeichnet.
Im Aufstieg zur Wyssen Frau treffen wir auf den Bergführer mit Gast, die vom Morgenhorn her kommen; kurz vor dem Gipfel (3648 m) kreuzen wir zwei Jungs vom SAC Doldenhorn. Hier gibt es ein paar leichte Felspassagen, bevor wir dann in Richtung Morgenhorn absteigen. Im Gegenaufstieg wartet eine anregende Kletterstelle an typisch abwärtsgeschichteten Griffen - diese war 2013 noch unter dem Schnee begraben...
Kurz vor 9:00 Uhr erreichen wir den Gipfel der Morgenhorns (3620 m), wo wir nochmals eine gute Pause machen. Nach etwa 50 Höhenmeter Abstieg treffen wir dann auf die erwartete Blankeispassage, für welche wir uns anseilen und simultan mit jeweils mindestens einer Schraube zwischen uns rückwärts absteigen. Eine gute Entscheidung, wie sich herausstellt. Heute war das für mich die Schlüsselstelle der Tour. Nach etwa 100 Höhenmetern wird das Gelände wieder flacher und die Schneeauflage dicker.
Auf perfektem Trittfirn geht es dann zügig bergab, während es immer heisser wird. Am Ende des Gletschers verstauen wir alles Sicherungsmaterial und erreichen um 11:00 die Hütte, wo wir uns eine ausgiebige Pause gönnen. Nach und nach treffen auch die anderen Nordwandgänger, die alle über den Normalweg abgestiegen sind, bei der Hütte ein. Wie schön, hatten alle eine gelungenen Tour! Schliesslich bleibt noch der Abstieg zur Bahn, den wir uns mit diversen Einkehrpausen versüssen - die doch etwas müden Beine freuts!
Gipfel: |
Blüemlisalphorn, Wyssi Frau, Morgenhorn |
Route: | Blüemlisalphorn Nordwand und Überschreitung zum Morgenhorn |
Ausgangspunkt: | Blüemlisalphütte |
Höhe: | 3660 m |
Schwierigkeit: | ZS+, 50°, 3a |
Karte/Führer: |
Eisrouten in den Alpen (Idea Montagna Editoria e Alpinismo) |