Mit Holmger und Philipp 23/11/20
Nach einigen Wochenenden mit gemütlichem Sportklettern an der Sonne ist nun wieder der Biss und die Lust auf Berge, früh aufstehen und möglicherweise etwas frieren, zurück. Während ich den Südwestgrat und die Lauperroute am Mönch schon kenne, blieb der Nollen bisher aussen vor, doch so einen Klassiker kann man sich ja nicht entgehen lassen! Holmger ist sofort begeistert von der Idee, und als mich Philipp fast gleichzeitig nach meinen Wochenendplänen fragt, zögere ich nicht, ihn mit "ins Boot" zu holen, denn auch er hat die Tour auf seiner Wunschliste. Über Lauterbrunnen und die kleine Scheidegg reisen wir - abgesehen von einer technischen Störung - angenehm im coronabedingt recht leeren Zug zur Station Eigergletscher. Unterwegs können wir die Route bestens einsehen und sogar Spuren ausmachen - das kommt gut!
Kurz nach 12 gehen wir los, erst noch auf der sonnigen Moräne abwärts, dann in der schattigen Nordwand aufwärts. Dank dem Neuschnee kommt bald richtiges Nordwandfeeling auf und wir montieren Steigeisen, um ein paar felsige Stufen zu überwinden. Die Bedingungen sind aber dank der guten Spur so einfach wie ich sie noch nie erlebt habe, und die Temperaturen gerade zu perfekt.
Nach 2 h 20 gemütlichen Gehens erreichen wir die noch warme Guggihütte. Was für ein Luxus! Wir stellen Bier kalt, schmelzen viel Wasser und kochen Tee, Suppe und später Polenta mit Landjägern und viel Käse. Im Laufe des Nachmittags gesellen sich zwei weitere Seilschaften dazu. Da der Platz coronabedingt auf 8 Leute beschränkt ist, wird es aber keineswegs eng. Nach dem frühen Eindunkeln gehen wir bald ins Bett und verbringen eine warme Nacht.
Um 4:45 gibt es ein Müeslifrühstück, und nach Aufräumen der Hütte machen wir uns kurz nach halb sechs auf den Weg. Wir hatten uns auf einen eher frühen Start geeinigt, um genügend Reserve für das Erreichen der letzten Bahn zu haben, auch wenn das bedeutete, einiges im Dunkeln zu gehen. Erst kommen wir dank guter Spur zügig voran, bei einer Steilstufe aber verlaufen sich die Spuren und das Gelände wird schwieriger. Während wir uns anseilen, zieht die geführte Seilschaft an uns vorbei, worüber wir nicht unglücklich sind, denn so können wir ihr folgen. Das tief verschneite Gelände ist zwar grösstenteils einfach, ab und zu muss aber doch eine Felsstufe mit nur dünner Eis- oder Pulverschneeauflage überwunden werden. Da sind wir froh, mit Schraube oder Pickel mal kurz sichern zu können, auch wenn sich die Stellen dann meist als problemlos herausstellen. Um 7:00 Uhr erreichen wir das Mönchsplateau und trinken/essen etwas, während der Tag endlich allmählich erwacht.
Wir vergrössern die Anseilabstände ein bisschen, um bei Bedarf mit Eischrauben sichern zu können, und ziehen dann über den breiten Gratrücken praktisch direkt auf den Nollen zu. Auf dem Gletscher liegt griffiger Firn, und dort wo die Flanke blank zu werden beginnt, "klebt" noch die Spur unsere Vorgänger - besser könnte es hier nicht sein! So verzichten wir bis zum Fuss des Nollens das Setzen von Eisschrauben.
Erst gedenken wir, den Nollen simultan zu klettern, aber das Eis ist sehr hart und spröde, und einige Passagen sind steiler als erwartet, so wechseln wir auf Standplatzsicherung. Mit eiskalten Händen (ich hätte vorher wärmere anziehen sollen!) und durch eine (an sich harmlose) Platzwunde von einem Eisstück etwas "erschüttert", bin grad froh, das Holmger die erste Länge vorsteigt. In drei weiteren, etwas einfacheren Längen erreichen wir dann praktisch gleichzeitig mit der zweiten Seilschaft den Ausstieg des Nollens - an diese Stelle nochmals herzlichen Dank für die nette Gesellschaft auf der Hütte und der ganzen Tour!
Auch wenn wir gut voran gekommen sind und wenig Zeit an den Standplätzen verbracht haben, sind wir doch etwas durchfroren. Im Schatten und mit frischem Wind ist es Ende November halt einfach frisch... So sind wir direkt froh, nun wieder etwas konditionsintensiver arbeiten zu müssen. Wir verkürzen das Seil - ganz darauf verzichten wollen wir wegen dem Bergschrund nicht. Dieser ist dann gut zu überwinden und lässt sich direkt oberhalb auch gut im Eis absichern. Wir setzen weiterhin gelegentlich ein paar Schrauben, im Nachhinein hätte man hier aber auch gut seilfrei gehen können. Es liegt überwiegend perfekter Trittfirn in der Spur, ein paar blanke Stellen erfordern etwas mehr Konzentration, bieten aber keine Schwierigkeiten. Trotzdem sollte man keinesfalls vergessen, dass hier jeder Schritt sitzen muss - man bewegt sich konstant im Absturzgelände.
Allmählich brennen die Waden, Oberschenkel oder Lungen - was genau, das ist bei und allen etwas unterschiedlich, aber niemand fühlt sich mehr super leicht. Genau so soll es aber auch sein, man muss es sich ein bisschen verdienen, und da wir alle gleich fit sind, macht es umso mehr Spass. Beim Grat angekommen, müssen wir wegen der Wächte leicht unter diesem traversieren, aber können auch so endlich wieder mal aufrecht Gehen, was gut tut... Der Weiterweg zum Gipfel in bissigem Nordwind geht dann zügig von statten, und kurz nach halb 12 können wir uns gratulieren. Um die letzte Bahn müssen wir uns definitiv nicht sorgen...
Wir essen und trinken etwas und geniessen die Aussicht. Allerdings ist es zu frisch, um ewig hier zu sitzen. So steigen wir bei perfekten Bedingungen über den Normalweg in Richtung Jungfraufirn, wobei wir die letzten knapp 20 m auf den Gletscher abseilen. Da zu dieser Jahreszeit keine Ratracspur gezogen wird, gehen wir wegen den beachtlichen Spalten nochmals am Seil. So erreichen wir etwa um 14:00 Uhr das Jungfraujoch, wo wir uns eine Tour zur Sphinx sowie Bier und Sandwiches im touristenarmen Restaurant gönnen, bevor wir die Zugfahrt ins Tal antreten, bei der wir nochmals viele Blicke zurück auf unsere Route schicken können. Durch und durch eine gute Sache war das!
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