Mönch (4107 m) – Lauperroute

Mit Rolf                                                                                                                                                                15/11/15

Mönch, Nordwand, Lauper, Northface, Guggihütte
Der ungefähre Verlauf der Lauperroute

Mit dem Zug fahre ich von Baden über Olten nach Spiez, wo ich mich mit Rolf treffe. Zum ersten Mal unternehme ich eine Hochtour mit einem Bergführer und ich bin entsprechend gespannt, wie das sein wird. Geplant ist die Lauperroute, sie soll als "Testtour" für die geplante Tour durch die Eigernordwand dienen. Von Spiez geht es weiter nach Grindelwald, wo wir einen Materialcheck vornehmen und ich einen warmen Schuh zum Testen bekomme - den Batura von LaSportiva. Mit den Jungfraubahnen fahren wir bis zur Station Eigergletscher und können dank gutem Wetter unterwegs zuerst die Heckmairroute am Eiger, dann die Lauperroute am Mönch studieren. Um halb 2 gehen wir los, erst auf der Moräne abwärts, dann steigen wir über zum Teil mit Schnee bedeckte Bänder zur Guggihütte auf. Das Gelände ist sehr exponiert und erfordert dementsprechend Vorsicht.

Mönch, Nordwand, Lauper, Guggihütte
Die schön gelegene Guggihütte, dahinter der Mönch

Kurz nach 3 kommen wir bei der schön gelegenen Hütte an, die schon recht voll ist. Ein paar Seilschaften wollen über den Nollen, 2 andere haben die Haston-Eistrup vor, und 2 weitere Seilschaften planen wie wir die Lauperroute. Der Rest des Nachmittages vergeht mit Eisschmelzen, Kochen und plaudern. Der Wetterbericht für den nächsten Tag ist nicht besonders gut - neben starkem Wind ist auch leichter Niederschlag vorhergesagt. Kurz nach 8 gehe ich ins Bett und schlafe in Daunenjacke eingepackt für Hüttenverhältnisse ausgezeichnet.

Mönch, Nordwand, Lauper
Kurz vor dem Schulterstand

Am nächsten Morgen ist es windig, aber relativ warm. Kurz nach 5 gehen wir  angeseilt und mit Steigeisen an den Füssen los - als letzte Seilschaft, da das Wetter im Verlaufe des Tages besser werden soll und es keinen Grund zur Eile gibt. Ein Heli kreist einige hundert Meter oberhalb der Hütte und fliegt zweimal mit der Longline weg. Ob eine der vor uns gestarteten Seilschaften einen Unfall hatte? Über Wegspuren, Bänder und Firn geht es in der Flanke aufwärts bis das Gelände flacher wird und sich unsere Route von der Nollenroute trennt. Steil und abschüssig steigen wir in Firn, Fels und Eis auf den Gletscher ab und traversieren  diesen. Hier sehen wir auch die Stirnlampen der 2 Seilschaften beim Einstieg zur Haston-Eistrup. Nun geht es richtig zur Sache, wir müssen ein steiles Couloir überwinden. Rolf ist schnell oben und sichert mich nach. Zuerst muss ich 6-7 Meter nach links traversieren. Die schmalen, mit Neuschnee bedeckten Kalkleisten bieten weder für Steigeisen noch für behandschuhte Finger viel Halt. Ich setzte testweise meine Eisäxte an, verwerfe die Idee aber wieder, ich habe zu wenig Vertrauen darauf, dass sie auf dem Fels halten, beziehungsweise zu wenig Übung im Drytooling. Und obwohl ich von oben gesichert bin, möchte ich hier nicht stürzen, denn ich würde ziemlich weit pendeln. Nachdem die Traverse geschafft ist, folgt ein Eiscouloir. Hier wird meine mangelnde Eisklettererfahrung deutlich, ich schaffe es nicht, die Eisgeräte so ins harte Eis einzuschlagen, dass sie auch halten, das Eis splittert einfach weg. Zum Glück ist es nicht steil, so klettere ich vorwiegend aus den Beinen heraus und brauche die Pickel, die ich in die vorgeschlagenen Löcher setze hauptsächlich fürs Gleichgewicht. Ich schaffe die Stelle, ohne je ins Seil zu sitzen, aber nie wäre ich hier vorgestiegen, zumal die erste Möglichkeit, eine Schraube zu platzieren erst nach etwa 10 Metern kommt. Rolf meint, dass hier oft Firn läge, was alles natürlich viel einfacher machen würde - heute war das für mich definitiv die Schlüsselstelle.

Winterliche Verhältnisse...
Winterliche Verhältnisse...

Oben geht es dann leicht über ein ansteigendes Schneefeld weiter. Da Rolf im Bruchharst spuren muss, kann ich mich etwas erholen. Unterdessen - um 7 Uhr - ist es hell geworden und wir können die Stirnlampen ausschalten. Allerdings hängen die Wolken tief und wir können nicht viel sehen. Das Firnfeld wird steiler und es folgt eine Traverse nach rechts. Am kurzen Seil gehen wir seitwärts und schlagen dabei Steigeisen und Eisgeräte gut in den Firn. Diese Traverse lässt sich kaum absichern und kann heikel sein, wir haben zum Glück meist guten Trittfirn. Es folgt eine kurze aber steile Kletterstelle mit anschliessendem Eisfeld. Hier machen wir Standplatzsicherung an einem Haken; für Zwischensicherungen gibt es einige weitere Schlaghaken. Wieder finden die Handschuhe wenig Halt auf den schneebedeckten Leisten - mit Stemmen, Verspreizen und Ganzkörpereinsatz komme ich aber recht gut hoch und es macht auch Spass.

Mönch, Lauper, Nordwand, Schulterstand, Schlinge
Die Schlinge am Schulterstand flattert im Wind

Und dann, kurz vor 8 Uhr stehen wir unter dem Dach, genannt "Schulterstand", weil es ursprünglich so überwunden wurde - nun werden aber meist Schlingen benützt. Ich habe schon oft Bilder von diese Stelle gesehen (z.B. hier), aber in Wirklichkeit wirkt alles höher und unüberwindlicher. Immerhin ist es hier schön windgeschützt, man kann wiedermal bequem stehen und etwas trinken und essen. Wetter und Wind sind nicht besser geworden und Rolf erwägt einen Rückzug, wir sind aber noch fit und sehr früh dran, so ziehen wir Daunenjacke und Skihandschuhe an und gehen die Überwindung des Überhanges an. Rolf macht es vor: Ein Steigeisen in die Schlinge, hochziehen und elegant um die Kante. Dann bin ich dran. Gar nicht so einfach, den Fuss in die Schlinge zu kriegen. Ich bin zwar beweglich, aber nur aufgerundet 1.57 gross, die Schlinge hängt hoch und der Wind bläst sie jedes Mal weg, wenn der Fuss oben ist. Schliesslich ist einer der Frontzacken meiner Steigeisen drin - das muss reichen. Jetzt mit den dicken Handschuhen an der selben dünnen Schlinge festhalten und auf den hohen Fuss in der Schlinge aufstehen. Es kostet mich etwas Überwindung, geht dann aber besser als erwartet und ich bin mit den Händen bei der Dachkante. Doch wie weiter? Die abwärts geneigte, mit Schnee bedeckte Kalkplatte bietet keinen Halt. Weiter oben hängt nochmals eine Schlinge, aber ich kann sie noch nicht erreichen. Beim Klettern sage ich mir jeweils: wenn du nicht an den Griff kommst, musst du halt höher stehen - das versuche ich nun auch hier. Tritte gibt es ja im Überhang keine, doch die Trittschlinge hat Knoten drin. Es gelingt mir, einen Zacken meines zweiten Steigeisens über dem Knoten in die Schlinge zu quetschen und ohne wirklichen Halt für die Hände irgendwie auf den Fuss aufzustehen. Nun erreiche ich die Schlinge und ziehe ich mich mit viel Krafteinsatz übers Dach. Elegant ist anders, aber ich bin oben. Hier ist die Sache allerdings noch nicht gegessen, denn es geht weiter über mit losem Neuschnee bedeckte, abschüssige Kalkplatten. Für mich im Nachstieg keine grosse Sache, für den Vorsteiger bei diesen Bedingungen ohne Firnauflage aber nicht ohne, denn es kann erst nach etwa 10 Metern eine Zwischensicherung gelegt werden.

Mönch, Lauper
Standplatzsicherung mit Pickel und Cams im gemischten Gelände oberhalb des Daches

In der Flanke klettern wir weiter hinauf. Meist liegt eine gute Schicht aus Firn und  Eis, in der Steigeisen und Eisgeräte gut greifen. Manchmal kommt aber auch nackter glatter Fels hervor, so sichert mich Rolf jeweils nach. Das Gelände ist nicht leicht abzusichern, es finden sich aber doch immer mal wieder Platzierungen für kleine Cams oder eine Pickelhaue. So klettern wir einige hundert Höhenmeter und das Ganze erinnert mich an ein Intervalltraining: Pause, während Rolf vorangeht, voller Einsatz, wenn ich nachsteige. Niemand treibt mich an, aber ich möchte doch das hohe Tempo, das wir angeschlagen haben, aufrecht erhalten. 

Mönch, Lauper
Der Grat am Schluss besteht aus schönem Gneis (heute leider unter Schnee)

Schliesslich erreichen wir den Felsgrat. Auch jetzt erschwert der Neuschnee das Klettern, aber hier oben besteht der Mönch aus Gneis, der deutlich bessere Griffe bietet als Kalk. Es hat immer genügend grosse Tritte und Griffe für Steigeisen und  Hände in dicken Handschuhen. So ist die Kletterei trotz Schnee nie richtig schwer und macht Spass, ist aber anstrengend. Nach den Felsen wartet ein schmaler Firngrat, den wir seitwärts gehend überqueren. Ich muss mich nochmals konzentrieren, denn Wind und eine leichte Müdigkeit sind dem Gleichgewicht nicht gerade förderlich. Dann wird der Grat breiter und der Rest ist nur noch Konditionssache. Waden und Oberschenkel brennen, aber der Kopf verbietet dem Körper anzuhalten oder langsamer zu werden. Es folgt ein kurzer, steiler, eisiger Aufschwung, dann legt sich das Gelände zurück und wir stehen um 10 vor 11 auf dem Gipfel. Unter 6 Stunden sei bei diesen Bedingungen eine sehr gute Zeit meint Rolf, vorgeschlagen seien 10-12 Stunden. Wir sind trotzdem erstaunt, dass wir die ersten sind, denn die Nollenroute ist deutlich kürzer und andere Seilschaften sind deutlich vor uns gestartet.

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Im Abstieg über den Ostgrat

Weder Sicht noch Wetter laden zu einem Aufenthalt auf dem Gipfel ein, und nach ein paar Fotos machen wir uns an den Abstieg über den Ostgrat. Diese Route kenne ich schon von meinen beiden Touren über den Südwestgrat, aber bei den Bedingungen heute ist der Abstieg bedeutend schwieriger. Der Grat ist äusserst schmal und mit einer rutschigen Neuschneeschicht bedeckt, und die Sicht lässt kaum zwischen Schnee und Wollen unterscheiden. Über weite Strecken gehe ich im Krebsgang in der Flanke und schlage die Eisgeräte im Grat ein. So bin ich erleichtert, als wir die Sicherungsstangen erreichen. Da die Flanke blank ist, seilen wir an den Stangen ab, was auch die müden Oberschenkel freut. Anschliessend klettern wir über verschneite Felsen abwärts und es wird wieder wärmer, so dass wir auch wiedermal etwas essen und trinken.

Glücklich beim Jungfraujoch angekommen
Glücklich beim Jungfraujoch angekommen

Unten am Fuss angekommen kann man normalerweise leicht und bequem zum Jungfraujoch spazieren. Heute ist die Sicht aber so schlecht, dass wir dem GPS folgen müssen. Immerhin kann man hier nicht mehr abstürzen, nur einige grosse Gletscherspalten bedingen Vorsicht. Schliesslich erahne ich eine Felswand vor uns - das Jungfraujoch? Ja!  Niemand schlittelt vor dem Eingang, alles wirkt abweisend. Trotzdem bin ich sehr glücklich, kurz nach halb eins hier anzukommen, nach einer fordernden aber gelungenen Tour. Denn auch wenn Wetter und Bedingungen nicht optimal waren und wir deshalb die sicherlich grossartige Aussicht verpasst haben, kann ich ein positives Fazit ziehen: Wir waren schnell und sicher unterwegs und Ausrüstung sowie Kleider haben gepasst - dank bis zu 6 langen Schichten, Skihandschuhen und warmen Bergschuhen hatte ich immer schön warm. Die nächste Bahn fährt erst um halb 2, so geniessen wir noch eine heisse Schokolade. Zufrieden gondeln wir dann nach Grindelwald und besprechen nochmals die Tour, Ausrüstung und weitere Pläne. Über Spiez und Olten reise ich dann schliesslich Baden und falle nach einer Portion Pasta bald ins Bett.


Gipfel:            Mönch
Route: Lauperroute                                                                             
Ausgangspunkt:  Guggihütte
Höhe: 4107 m
Schwierigkeit: SS-,  A1, 60°, M4
Führer: Drytooling et Mixed Suisse Ouest (Simon Chatelan)