Endlich zeichnet sich ein gewitterfreier Tag am Wochenende ab – allerdings nur am Samstag. Deshalb, und weil die Skitourensaison eher knapp ausgefallen war, entscheiden wir uns für eine Tages-Skihochtour aufs Rimpfischhorn ab der Täschalp. Kurz nach 18:00 Uhr fahren wir in Bern los und bestellen unterwegs Pizza in der Pizzeria Udacia in Frutigen, die wir während dem Autoverlag durch den Lötschbergtunnel verspeisen. Die Logistik geht auf, der Verkehr rollt und wir kommen kurz nach 21:00 auf der idyllischen Täschalp an, wo wir dank den längsten Tagen im Jahr noch ohne Stirnlampe unsere Sachen bereitlegen und uns im Auto für die Nacht installieren.

Um 3:45 klingelt der Wecker. Im Schlafsack liegend koche ich zur Autotür heraus Kaffee und wir machen uns bereit.  Ski und Skischuhe auf dem Rücken gehen wir um 4:45 mit bequemen Trailschuhen los. Der Weg zur Täschhütte und weiter zum Chummibodmen ist äusserst angenehm zu gehen, so dass mich der schwere Rucksack kaum stört. Mit jedem Schritt wird die Sicht auf die ins Morgenlicht getauchten Berggipfel besser. Ab 2900m  nehmen die Schneefelder zu und ab ca. 3000 m liegt eine durchgehende Schneedecke, so dass wir nach ca. 2h Skitragen den Wechsel auf die Ski vornehmen, Klettergurt anziehen und die Trailschuhe hinter einem Stein verstecken.

Über die harte und griffige, allerdings wenig gleitfreudige Schneedecke steigen wir zum Alphubelgletscher auf. Während Holmger bisher eher gemütlich hintergetrottet ist, mach er nun ordentlich Tempo und ich merke, wie meine Beine leicht übersäuern – nicht so schlau bei einer so langen Tour... Vorübergehend ist es ziemlich frisch, aber als wir das Ende des Alphubelgletscher erreichen, wird es windstill und wärmer. Was für eine Sicht hat man von hier! Weit oben, schon fast beim Rimpfischsattel, können wir eine Person ausmachen – sonst ist zu meiner Überraschung niemand unterwegs.

Etwas überrascht bin ich auch darüber, wie weit es nun auf den Mellichgletscher runter geht – das hatte ich von meiner Besteigung 2014 nicht mehr so im Kopf. Vielleicht ist unterdessen auch der Gletscher geschrumpft... Laut Karte sind es nur 100 Höhenmeter, es sieht aber nach deutlich mehr aus. Wie auch immer, die kurze Abfahrt macht Spass und ist eine gute Abwechslung. Nach Wiederanfellen und Anseilen machen wir uns um etwa 8:30 an den Aufstieg  über den Gletscher, der zwar gut eingeschneit ist, aber doch ordentlich grosse Spalten aufweist. Die anfangs noch vorhandene alte Skispur verliert sich bald, wir können aber der sehr gut angelegten  Steigeisenspur des vorangegangenen Einzelgängers folgen, der – wie sich herausstellen sollte –  vom Rimpfischsattel mit dem Paraglider ins Tal fliegt.

Meine Beine müssen nun dem vorübergehend etwas zu schnellen Tempo Tribut sollen... Auf der harten Unterlage lässt es sich aber meist sehr bequem gehen, nur an wenigen Stellen bedeckt eine rutschige Neuschneeschicht die harte Unterlage, und wir müssen etwas Kraft aufwenden, um nicht (in eine Gletscherspalte) zu rutschen. Da diese Stellen nur kurz sind, verzichten wir aber auf die Harscheisen. Etwa um halb elf erreichen wir den Rimpfischsattel, und machen wenig später auf 4050 m Skidepot, wo wir auch Seil und Rucksäcke deponieren.

Mit Steigeisen, Pickel und der Daunenjacke am Gurt stapfen wir durch den vorerst tiefen Schnee weiter. Ich ziehe es vor, meine eigene Spur zu treten, statt den grossen Stufen unseres Vorgängers zu folgen. Seine Spuren bestätigen uns aber, das unserer Routenwahl richtig ist. Nach einer Querung in schon ziemlich weichem Schnee und ein paar leichten Felsen wird das Gelände ordentlich steil und der Schnee hart. Hier kommen wir an einem Felsen mit Eisstalagmiten vorbei, die uns an die Eiszwerge in  der Route Reise ins Reich der Eiszwerge erinnert – eine schöne Erinnerung ☺️. Da das Couloir kurz vor dem Vorgipfel schon recht ausgeapert ist, sind wir froh um das dort angebrachte Fixseil. Vom Vorgipfel geht es dann leicht aber landschaftlich attraktiv zum Hauptgipfel, welchen wir um halb 12 erreichen.

Wir geniessen kurz die Aussicht und Einsamkeit hier oben – auch auf den Nachbargipfeln Alphubel, Strahlhorn und Allalinhorn ist noch wenig los. Bald machen wir uns aber an den Abstieg, der nochmals ordentlich Konzentration fordert, denn das Gelände ist steil und exponiert. Nur mit einem Leichtpickel und Hybridsteigeisen bewaffnet nehme ich mir die Zeit, die Stufen nochmal gut nachzutreten. Unten beim Skidepot gönnen wir uns dann eine ausgiebigere Rast, nun spielt die Zeit keine Rolle mehr.

Jetzt kommt das Vergnügen! Nach ein paar Schwüngen auf dünner Pulverschneeauflage geht es nahtlos in perfekten, nur wenige Zentimeter tiefen  Sulz über - und das in dieser imposanten, menschenleeren Landschaft! Besser könnte es nicht sein! Auch wenn man heute die Ski nicht unbedingt gebraucht hätte – ich hätte auf keinen Fall darauf verzichten wollen.

Am Ende des Mellichgletschers wartet natürlich die Gegensteigung auf vier schon etwas müde Beine... Aufgrund der Südexposition ist der Schnee hier ordentlich matschig und es ist richtig heiss. Jedoch fällt mir der Anstieg trotz der müden Beine weniger schwer als erwartet, und oben warten nochmals ein paar Höhenmeter tolle Sulzabfahrt. 

Auch im weiteren Verlauf ist der Sulz nur wenige Zentimeter tief und geht erst ganz zuletzt in Bremsschnee über. Was für eine tolle Skitour, und das Mitte Juni! Von unseren Trailschuh-Depot fahren wir dann noch bis 2900 m ab, bevor wir pausieren, Gletscher- und Lawinenzeug vertstauen, Ski und Schuhe aufbinden und uns an den Abstieg machen.

Auf der Täschhütte gönnen wir uns kühle Getränke und feinen Kuchen, bevor wir dann weiter zur Täschalp absteigen. Trotz den gemäss meiner GPS-Uhr 2600 Höhenmeter, die wir aufgestiegen sind, fühlen sich meine Beine beim abwärts gehen noch ganz gut an. Zufrieden kommen wir beim Auto an und geniessen – mit Blick zurück zum Gipfel – ein paar übriggebliebene Pizzastücke.